Setllungnahme des Overdose Veranstalters:
Hallo,
na das ist ja toll, so etwas mal eben am Freitag anzusprechen und den
"Beschuldigten" nicht mal wirklich die Gelegenheit zu geben, zu Wort zu
kommen (ich war leider einen Großteil des Wochenendes nicht da, so auch
heute bis eben und habe die Stellungnahme natürlich auch den anderen
Veranstaltern vorgelegt). Sie haben in unserem Gespräch zwar erwähnt, dass
Sie am Wochenende erreichbar sind, aber nicht, dass das bereits die
"Deadline" sei.
Vorweg möchte ich schicken, dass ich bzw. wir - vor allem aus Gründen der
unten angesprochenen Drohungen, mit denen ja nun leider wieder zu rechnen
ist, nachdem Sie das Thema "aufwärmen" - nicht namentlich erwähnt werden
wollen. Sie können uns ja als "die Veranstalter" referenzieren.
Wir würden Sie weiter eigentlich gerne einladen, eine unserer Partys zu
besuchen und sich selbst ein Bild zu machen, aber auch dies ist ja leider
aufgrund dieses sehr kurzen Zeitrahmens nicht möglich.
Bezugnehmend auf unser Gespräch möchte ich noch einmal folgendes festhalten:
Was Hajo K betrifft, entspricht es der Wahrheit, dass er
kurzzeitig als Türsteher tätig war. Er hatte sich als "Türsteher, der
Erfahrung aus der Münchner Gothic-Szene hat" angeboten und da wir von
Hilfskräften keine Kriminalpolizeiliche Akte über deren Hintergrund o.ä.
einfordern dürfen oder können, kam es auch kurzzeitig zu dieser Tätigkeit.
Als dies in München, wo Hajo K offensichtlich einen gewissen
Bekanntheitsgrad hat, die Runde machte, wurden uns Informationen über ihn
zugetragen, die ihn als praktizierenden Neonazi zeigten, woraufhin wir
jegliche Zusammenarbeit mit ihm einstellten und darüber hinaus über ihn und
mögliche Bekannte seinerseits Hausverbot aussprachen. Bis zu diesem
Zeitpunkt hatten wir leider keinerlei Kenntnis über sein "politisches
Engagement" - insofern haben wir zum uns frühestmöglichen Zeitpunkt mit dem
uns größtmöglichen Nachdruck gehandelt, um uns sowohl zu distanzieren, als
auch ein Zeichen zu setzen.
Nichtsdestotrotz wurden wir danach eine Weile, bis sich "die Wogen
einigermaßen geglättet haben" massiv von "Aktivist/innen" aus der linken
Szene mit - man verzeihe mir den Ausdruck - äußerst faschistoiden Methoden
bedroht. Die Rede war von öffentlicher Diffamierung bis hin zu Gewalt,
Buttersäureanschlägen oder ähnlichem. Die Drohungen wurden uns mündlich
kolportiert und wir haben auch davon abgesehen, eine große Sache daraus zu
machen, da wir diese für überzogen hielten und angesichts unseres
Türsteher-Faux Pas' ein gewisses Verständnis dafür aufbrachten, dass da
einige Gemüter hochkochen. Allerdings hat es uns gezeigt, dass wir für uns
persönlich mit unserer Einstellung, uns sowohl von rechts als auch von links
zu distanzieren, vollkommen richtig liegen. Auch dies ist leider nach dem
Motto "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns" manchen Leuten ein Dorn im
Auge, insofern hoffen wir umso mehr, dass Sie durch neutrale
Berichterstattung glänzen und sich nicht instrumentalisieren lassen.
Was "die Uniformierten" generell angeht, so ist dieser Teil der Szene bei
Overdose ein verschwindend geringer - sofern überhaupt vorhandener - Teil
der Besucher. Die Neofolk-Szene ist - zusammen mit etlichen anderen
Strömungen - ein Teil der Gothic-Szene und in diesem Fragment fühlen sich
unter anderem auch (und definitiv nicht ausschließlich, wie dies oft
dargestellt wird) Leute beheimatet, die vor allem sexuell, aber auch aus
Provokationsgründen (was ja augenscheinlich gut funktioniert) Uniformen eine
gewisse Ästhetik zusprechen. Die meisten begründen diese Vorliebe vor allem
eben sexuell - meist auch verbunden mit S/M. Dabei gibt es auch eine breite
Palette von verschiedenen "Uniform-Spielarten", von reinen Fantasy-Uniformen
(auch mit Rollenspiel-Elementen) über Lack/Leder bis hin zu sehr
archaisch/militärisch wirkenden Uniformen, die an die deutschen Uniformen
des 2. Weltkriegs erinnern. Bei den meisten der letzteren handelt es sich
übrigens in Wirklichkeit um NVA-Uniformen, was politisch wohl kaum mit
"Neonazis" vereinbar wäre.
Übrigens gab es diese ganze Diskussion in nahezu identischer Form schon vor
langer Zeit auch schon um die Punkszene, die sich zur Provokation
faschistischer Symbolik bediente - nachzulesen unter anderem in der
Schriftenreihe "PopScriptum" vom Forschungszentrum Populäre Musik der
Humboldt-Universität Berlin unter
http://www2.hu-berlin.de/fpm//popscrip/the...05/pst05040.htm <http://www2.hu-berlin.de/fpm/popscrip/themen/pst05/pst05040.htm>
Wie verfehlt es wäre, die Punkikone Sid Vicious oder die Punkszene an sich
als Neonazis zu bezeichnen, muss wohl nicht erwähnt werden.
Es würde sicherlich unseren Rahmen hier sprengen und ich bin wahrscheinlich
auch nicht der richtige Ansprechpartner, um "Neofolk" in allen Details zu
erörtern, aber grob umrissen gibt es im Neofolk auch (aber keineswegs nur)
die Thematik "3. Reich" - allerdings in keiner verherrlichenden oder
glorifizierenden Form, sondern viel mehr in der Weise "Darstellung als
Abschreckung".
In der Neofolkszene gibt es übrigens - sofern überhaupt politische Aussagen
getroffen werden - auch antifaschistische Tendenzen. So wird zum Beispiel
von vielen das Symbol der weißen Rose getragen, als Referenz auf die
antifaschistische Widerstandsgruppe "Weiße Rose" um Sophie Scholl (es gibt
auch eine gleichnamige Band, die sich mit dieser Thematik beschäftigt). Auch
dies wäre wohl kaum mit "Neonazis" unter einen Hut zu bringen.
Ein weiterer Kernpunkt ist Naturverbundenheit, so finden sich in der
Neofolkszene (auch bei den Bandbesetzungen aus dem Spektrum) auch einige
PETA- und Greenpeaceaktivist/innen, die ja traditionell auch eher dem linken
Lager zuzuordnen sind.
Nach vielen Unterhaltungen mit Vertretern dieser Szene bin ich persönlich
überzeugt, dass diese weitgehend unpolitisch und teilweise sogar eher links
(siehe "Weiße Rose") anzusiedeln und unbedenklich ist. Wir sehen darin zwar
ein gewisses moralisches Problem, das auf den ersten Blick entstehen kann,
aber wir sehen uns nicht als "Wächter der Moral" und es liegt uns fern, den
Leuten Vorschriften in Bezug auf ihre sexuellen Präferenzen zu machen,
solange sie sich im gesetzlichen Rahmen bewegen.
Aufgrund des Kokettierens mit oben angesprochener Uniformästhetik und
fälschlich als "Vaterlandsliebe" verstandener Naturverbundenheit gab es zwar
leider auch offensichtlich Bemühungen seitens der Rechten, Fuß in dieser
Szene zu fassen (siehe Hajo K), allerdings fielen die auf keinen
fruchtbaren Boden - mit "denen" will keiner etwas zu tun haben und auch
Musik mit politischen Inhalten ist verpönt.
Wie auch in dem Statement auf unserer Website nachzulesen ist, distanzieren
wir uns von jedweder politischen Einstufung und verurteilen jedwede Form von
politischer Instrumentalisierung und Extremismus. Unsere Türsteher haben
auch die Anweisung, Leuten, die als "politisch bedenklich" eingestuft werden
können (z.B. durch das Tragen verfassungsfeindlicher Kennzeichen) den
Eintritt zu verwehren.
Ich bitte Sie weiters, zu bedenken, dass "Overdose" mittlerweile zu
Österreich's größten und bekanntesten Anlaufpunkten für die Gothicszene -
der leider generell recht wenig geboten wird - gehört und es sich dabei um
eine vollkommen friedfertige und "freundliche" Szene handelt. Es gab noch
auf keiner einzigen "Overdose" Gewalt in irgendeiner Form (also auch keine
Schlägerei, was ja heutzutage leider nicht mehr dem Standard entspricht) und
selbst Anrainer, Taxifahrer und alle, die auf diesem Wege mit unserer Szene
in Berührung kommen, sind begeistert von "diesen Leuten".
Es wäre nicht nur unschön, sondern auch extrem weit an der Wahrheit
vorbeigeschossen, in den "Nazitopf" geworfen zu werden und es wäre wohl auch
für die Anhänger dieser Szene und unsere Besucher, zu denen auch nicht
zuletzt zahlreiche Homosexuelle, "Mitbürger mit Migrationshintergrund",
"Linke" usw. gehören, ein Schlag in's Gesicht.
Ich hoffe, Sie schaffen es dennoch, die Stellungnahme in Ihren Bericht
einfließen zu lassen - alles andere wäre, ehrlich gesagt, journalistisch,
wie auch in Hinblick auf den Wahrheitsgehalt Ihres Beitrags, unterste
Schublade.
lG