Ob Hardwax nun den wahren Techno Spirit von Berlin darstellt, kann und will ich nicht schußendlich bewerten, denn den Spirit von Berlin macht ja gerade aus das er nicht zu fassen und vielfältig ist. Aber man kann wohl mit Fug und Recht behaupten das kein Plattenladen Berlin bis heute so geprägt hat, wie diese Institution am Paul-Linke Ufer. Das fängt schon mit dem Personal an, nicht nur durch Veteranen wie Pete, Rene, Thorsten und Besitzer Mark Enestus, sondern Hardwax diente seit Anbeginn auch als Durchlauferhitzer für Talente. Angefangen von Rok und Hell, die hier schon hinter der Theke standen, bis zu Marcel Dettmann und Ben Klock oder den Modeselektoren, die das zum Teil heute noch tun oder zumindest mit einem Bein hinter der Theke stehen. Ein Plattenladen ist auch immer Kommunikationszentrale und auch wenn ich schon lange nicht mehr dort war, weil ich nunmal weg vom Vinyl bin, denke ich, es ist immer noch mehr oder minder so wie früher, als Rok hinter der Theke stand und wir anderen DJs davor und uns sämtliche neuen Releases gemeinsam anhörten. Falls mal weniger Platten von einem Release da waren, als das die Nachfrage befriedigt werden konnte, wurde mit Streichhölzern ausgelost, wer ein verfügbares Exemplar abbekommen würde (ich hatte diesbezüglich, zum Verdruß meiner Kollegen, meist Glück, hehe).

Das war allerdings zu Zeiten, als Hardwax noch in der Reichenberger Straße residierte. Damals war es gar keine Frage ob der Laden den Technospirit von Berlin darstellte, es gab ja kaum andere Läden. Vorher mußte jede Woche Pinky Records in Steglitz und die beiden WOM Filialen abgegrast werden, bis dann eben Hardwax zur richtigen Zeit kam und wir unseren ersten dezidierten Technospezialisten hatten, der sich auch vom Ambiente angenehm von den restlichen Plattenläden unterschied, das fing bei den understatementmäßigen Preisschildchen an und hörte bei den kahl belassenen Betonwänden nicht auf. Dieses Ambiente fand natürlich in der Fabriketage am Paul-Linke Ufer erst seine Perfektion. Der Erdgeschoßaden im Wohnhaus wurde einfach zu klein, zumal da schon das spätere Basic Channel Studio mit untergebracht war und als dann auch noch Dubplate&Mastering hinzu kam mußten einfach größere Räumlichkeiten her. Mittlerweile ist noch ein ganzes Labelkonglomerat der Mitarbeiter hinzugekommen. Schon in der Reichenberger war Hardwax ein wichtiger Teil des Zustandekommens der Berlin-Detroit Achse, in dem sie die Platten von dort direkt importierten und nicht, wie die meisten anderen, bei Discomania in Frankfurt bestellten. Die dadurch entstandenen Kontakte spielten dann im Tresor und produzierten vielleicht noch was im Basic Channel Studio.
Mit dem dann aufkommenden Erfolg mußte man dann wohl auch geschmäcklerischer werden, die einsetzende Plattenflut wollte und konnte man gar nicht mehr im Laden aufnehmen und so entwickelte man sich auch zur Geschmacksinstanz. Nicht nur einmal kam es vor, das jemand nichtsahnend nach der falschen, meistens Trance, Platte fragte, daraufhin die gesammelten vernichtenden Blicke der versammelten DJ-Crowd auf sich zog und sichtlich am liebsten im Boden versunken wäre. Diese typische Plattenladenmentalitätsschrulligkeit hat man dort sehr kultiviert. Trotzdem habe ich hier noch so einige Scheiben, bei denen man heute nicht denken würde, das es die im Hardwax gab, aber das typische Preisschild zeugt eindeutig davon. Bonzai z.B. oder auch jede Menge Gabber, was wohl daran lag, das Rok diese Phase noch immer nicht hinter sich hatte, als die meisten schon genug davon hatten. Zum anderen ist es bis heute so, das man dort Platten findet, die man woanders nie kriegen würde oder besser noch, von deren Existenz man gar nicht wüßte.
Dabei muß man erwähnen, das Hardwax nie nur ein Technoladen war, seit Anbeginn gab es dort auch eine unter Experten sehr geschätze Reggae und Dub Abteilung und ebenso hat sich Hardwax seit dem Aufkommen von Dubstep mit am ambitioniertesten in Deutschland um dieses Genre gekümmert und wahrscheinlich hat es deshalb auch so einen prädestinierten Stand in der Stadt, bzw. eine Vermählung mit Techno erfahren, die man aus anderen Städten ja leider bis heute nicht kennt. Heute passiert das eben im Berghain anstatt im Tresor und der Blick über den Tellerrand reicht eben nicht mehr nur nach Detroit sondern die Achse bezieht auch die neue Schule aus UK mit ein. Was mir ja eine späte Genugtuung ist, da ich irgendwann nicht mehr zu Hardwax ging, weil meine Vorliebe für UK Sounds dort nicht mehr befriedigt wurde. Umso mehr freut es mich da wir heute anscheinend wieder auf einer Linie liegen, auch wenn’s mir nix mehr bringt, da ich ja, wie gesagt, weg vom Vinyl bin.
So besehen ist Hardwax immer noch eine Institution für Geschmack und Qualität in Berlin, nur hat sich Techno nunmal auch oder gerade hier diversifiziert, Berlin steht eben auch für Minimal und Konsorten, das bieten andere Läden nunmal auch. Es gibt nicht mehr den wahren Technosound von Berlin, sondern verschiedene Stränge und Parallelfeiergesellschaften, für viele ist das Hardwax nach wie vor die erste Adresse für den Soundnachschub, ich kenne aber auch genügend Leute, die andere Läden in der Stadt präferieren und wir haben hier ja das Glück das es noch einige zur Auswahl gibt. Ich glaube aber, wenn es irgendwann nur noch einen Plattenladen in Berlin geben sollte, dann hat Hardwax die besten Chancen dieser zu sein.






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