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> [Tanithblog] Thema der Woche 142: Dj Hell
TB-team
Beitrag 5 Apr 2011, 10:30
Beitrag #1


der sheriff
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Der Helli, hat schon ganz schöne Wandlungen durchgemacht, seit ich ihn im Zuge einer Warp Party im Tresor anno 91 kennenlernte. Damals wirkte er noch fast devot, so wie er den Tresor und was wir dort für Techno taten über den Klee lobte. Die beiden Bayern Rok und Hell waren dann auch bald ein Herz und eine Seele, legten quer durch die Republik zusammen auf und arbeiteten beide beim Hardwax hinter’m Tresen. War aber auch nur eine Durchgangsstation für den umtriebigen Helmut. Nächste Station dann Frankfurt, um das Labelbusiness ganz von der Pieke auf zu lernen. Trotzdem blieb er dabei immer der Bayer oder besser Münchner, ich kann mich an eine Reportage über ihn erinnern, wo er sein Berliner Alltag dokumentiert wurde und man hatte die ganze Zeit das Gefühl, das er immer noch nicht so richtig in der Stadt angekommen sei, es wirkte alles fremd bei ihm, ein Phänomen das man in Berlin allerdings bei vielen Bayern beobachten kann.
1997 setzte er dann konsequenterweise mit International Gigolo Records sein erlerntes Wissen in einem eigenen Label um und so bis zur Jahrtausendwende konnte ich das Label auch gut nachvollziehen, von eigener Definition von Techno bis zu wiederveröffentlichten Klassikern, wie Foremost Poets oder Tuxedomoon und Elektrobomben von Ozone Layer aka Dynamix II, und ähnlichen über den Aufbau vielversprechender neuer Talente wie Zombie Nation oder Terence Fixmer, über ins Boot holen von guten Buddies wie Elbee Bad oder DJ Naughty, alles richtig gemacht.
Aber irgendwann so um die Jahrtausendwende glibberte dann was gewaltig ab und wird nachfolgenden Generationen als ein How not to in die Lehrbücher im Kapitel Image überstrapazieren eingetragen werden.

Es war die Zeit als sich der Techno der 90er in jeglichem Bezug überholt hatte, alle suchten nach Auswegen, einige fanden ihn in Schranz, andere in Dubtechno, wieder andere wünschten sich die gute alte Zeit zurück, ich tobte mich in Breaks aus und Helli kam zum Electroclash, was ja auch anfangs wirklich bei ihm Sinn machte, so mit Suicide Commando, Miss Kittin & The Hacker und der Erfolg von Fisherspooner drückte wahrscheinlich dem Label endgültig den Electroclashstempel auf, obwohl weiterhin auch die ursprüngliche Labellinie gefahren wurde fiel das nicht mehr weiter auf. Dazu trug natürlich auch das entsprechende Medienbuhei bei, das Hell um sein Gigoloding willig bediente. Hell auflegend bei Modeschauen und ab da natürlich im Anzug, Pressefotos mit geliehenen Autos, geliehenen Hunden und dazu noch ein Majoralbum mit entsprechendem Medienpush, nur was war da mittlerweile aus dem Hell geworden, der so grundehrliche Technostatements wie Geteert und Gefedert oder den Totmacher abgeliefert hatte? Der Ironie des Gigolodings war spätestens nach dem 9.11.2001 die Luft ausgegangen, aber die Masche rollte noch zu gut, also wurde ein jetzt erst recht daraus. Irgendwo verständlich aber im Nachhinein besehen leider die falsche Abbiege. Techno reformierte sich in den Folgejahren in ganz andere Richtungen, sei es Minimal, sei es Ostgut, sei es Rückbesinnung auf Detroit und Chords, Hell konterte mit Stories über seinen Homie Puff Daddy und Grace Jones und warf trotzig ein Munichmachine hinterher um dann doch mit dem Spruch “was soll ich in München teuer Leute bezahlen, wenn mir das Praktikanten in Berlin kostenlos machen” abzuwandern. Spätestens da war wohl auch für den Gigolo die New Economy zuende. Wie unglamourös es hier dann zuging bekam ich über meine jetzige (auch schon wieder Ex-) Schwägerin mit, die eine Zeit lang das Gigolo Booking machte. Ein verzogener, divenhafter Haufen Artists, denen das Gigolo Deejayen offensichtlich zu Kopf gestiegen war und die Zeichen der Zeit nicht erkannten, diese aber, einige früher, einige später schmerzhaft lernen sollten. Regiert von zwei Bookerinen auf die die Phrase von den auf den Tischen tanzenden Mäusen wenn die Katze aus dem Haus ist hervorragend paßte. Ab 2005 lief der Laden , nicht nur deshalb, wirklich nur noch desaströs und kurz vor der Pleite, entsprechend gereizt war die Stimmung dort. Hell wirkte immer gehetzter, wie einer dem die sicher geglaubten Felle davon schwammen und die Namedroppingnummer wirkte immer gestelzter. Von den großen Gigoloevents war auch kaum noch etwas übrig, das letzte mal in Berlin erlebte ich ihn im Praterclub, ich glaube 2006, ein Club für ca. 300 Leute in dem sonst eher Nischen wie Drum & Bass oder Breaks Platz hatten. Seitdem habe ich bis auf ein paar Werbespots und Modeverlautbarungen kaum noch was von ihm mitbekommen, ein aktueller Blick in seinen Gigkalender bescheinigt mir, das auch seine Kreise kleiner geworden sind, seine aktuellen Charts und Releases sind bestimmt von einer Rückbesinnung auf seine Roots, aber auch ohne visionäre Überraschungen, man könnte Hausmannskost dazu sagen. Wenn ich an den Hell denke, den ich Anfang der 90er kennengelernt habe wünsche ich ihm wirklich, das er nicht nur musikalisch dahin zurückfindet. Was ihm einige der Artists wünschen, die mal auf seinem Label waren oder sonst mit ihm zu tun hatten, geht allerdings in ganz andere Richtungen, letztens gab es gar eine gefakte Facebookseite unter seinem Namen, auf der einer seiner geschassten Mitarbeiter eimerweise Hass auskübelte.






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