Da drängt sich erstmal die Frage auf, was ist Hardcore Techno und wo fängt er an? Quasi als Urvertreter dieses Sounds fang ich mal bei mir an um die Entstehung zu erklären. Acid und House hat mich damals bei Skinny Puppy, Front 242, Cabaret Voltaire, Nitzer Ebb und ähnlichem abgeholt. Einen wirklichen Bruch auf dem Weg zum Neuen mußte ich also nicht wirklich durchmachen, das ergänzte sich eher prächtig und folglich versuchte ich damals die Vorgeschichte in meine Acidsets ab 1988 mit einzubringen, was nur bedingt ging, dazu waren die Ästhetiken der Stile dann doch zu unterschiedlich, auch wenn sie in meinen Augen sehr miteinander verwandt waren und in den Folgejahren auch einige der genannten Künstler in dem Bereich aktiv wurden oder sich zumindest in die Richtung remixen ließen. Es war ja anfangs noch so, das man wirklich nach Platten kramen mußte um ein ganzes Set bestreiten zu können, kannste dir heute gar nicht mehr vorstellen sowas. Einer der Tracks die ich in meine Sets integrieren konnte war z.B. Front 242 – Work 242 (Ich würde ja gerne das Video dazu bringen, aber “Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar. Das tut uns leid”).
Test Dept.’s Faces Of Freedom wäre noch ein schönes Beispiel was ich damals gerne z.B. gerne in Verbindung mit KLFs What Time is Love oder EON’s Spice gespielt habe
Aber dann kamen ja auch schon bald, so ab 1989, die Belgier und man mußte gar nicht mehr so sehr Brücken bauen, sondern konnte sich gut in den Neuigkeiten bewegen. Die EBM Wurzeln konnte man da oftmals noch gut raushören und auch wenn man sich immer weiter davon weg bewegte, diese spaßige Grundaggression schien immer wieder durch und machte aus Acid und House in der Folge Techno und der wurde immer härter, womit wir uns auch schon in die Zeit von T99- Anasthasia vorgearbeitet hätten. Bis hierhin würde ich allerdings noch gar nicht von Hardcore Techno Szene sprechen wollen, das war ja alles noch im Rahmen der allgemeinen Entwicklung von Techno und splittet sich als Szene m.E. erst ab, als der Peak mit Gabber ca. 1993 errreicht war. Wenn sich auch z.B. der Bunker und in Teilen der Tresor in Berlin schon als eigene Szene im Hardcorebereich herauskristallisierte.
Gabber sehe ich dann als den Scheideweg, hier waren die Grenzen ausgelotet wie hart Techno werden kann und ab da teilt sich die Masse in die unterschiedlichsten Strömungen, Trance, Techno, House, Breakbeat und eben Hardcore. Auch wenn wir im Tresor schon in Camoklamotten und mit HarTcore Flaggen rumgerannt sind würde ich meinen wollen das das noch nicht eigene dezidierte Szene genannt werden konnte, sondern erst die Ausdifferenzierung dessen was sie werden sollte, denn wenn man sich die Tracks und Playlisten aus der Zeit anschaut wird man feststellen, das sogar ein Kid Paul Sperminator’s No Women allowed gespielt hat.
Erst als die Stile ausdefiniert waren und Gabber seinen Peak überschritten hatte kann man m.E. erst von Hardcore Szene sprechen und das war dann ein Sammelbecken dessen, was weiterhin hart war und nicht in die restlichen Technoschubladen paßte. Ein Konglomerat aus Gabber, englischen Breaks, die dort auch schon Hardcore hießen und eben Mischformen, die auch Industrial der alten Schule oder auch Rockelemente beinhalteten. DHR um Alec Empire’S Atari Teenage Riot, EC8OR und Bass Terror Soundsystem dürften dafür vielleicht am plakativsten sein, weil sie alles oben genannte integrierten. In Frankfurt Antipodium hatte sich das PCP Konglomerat um Mark Arcadipane gebildet, deren Track We Have Arrived anno 1990 quasi als Startpunkt zu Hardcore gesehen werden dürfte, und sich spätestens nach Konstabler Wache als Hardcore Bank der Stadt etabliert hatten. In Köln hatten sich Speedfreak und Patric Catini aka E de Cologne, welcher sich später auch DHR anschloß, um Beatgesplatter verdient gemacht, das seinem Namen alle Ehre machte. Um diese Pfeiler sammelte sich natürlich eine ganze Schar regional unterschiedlicher Szenen. Das Gros war eindeutig gabberbeeinflußt, aber davon abgesehen gab es durchaus noch viele andere Einflüsse, die von Whitenoiseexperimenten über Breakcore über Acidcore bis zu Digitalpunk und einfach nur Lärm reichten. Deren Ausschluß aus der Loveparade mündete dann in die Hateparade, später Fuckparade. Eine typisch deutsche Variante, wie z.B. in Frankreich mit Frenchcore, sehe ich hierzulande nicht, wenn auch die Gabber hier deutlich andere Ausprägungen hatte als in anderen Ländern und z.B. die Happy Hardcore Variante nie groß Fuß fassen konnte, aber auch die konsequent politisch eher linke Ausrichtung war im Nachhinein eine deutsche Eigenheit.
So ab ca. 1996 klang die allgemeine Beigeisterung für Hardcore ab und um die Jahrtausendwende war es bereits nur noch eine kleine Nische, vorbei die Zeit der eigenen Clubs und auch der dezidierten Veranstaltungen wurden zunehmend rarer, nach ca. 8 Jahren war ziemlich Ende im Gelände für Hardcore Techno und wenn man bedenkt was in dieser Zeit musikalisch alles passiert war ist das gar keine so schlechte Bilanz für ein derart extremes Musikgenre in Deutschland.




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