Wer liebt darf auch Trottel sein, weil wahre Liebe kann nichts erschüttern und ist bekanntlich eine Leidenschaft, die so heißt, weil sie Leiden schafft. Sei es Rücken, überzogene Preise für angeblich limitierte Auflagen oder alte Scheiben. Der Vinyltrottel liebt Vinyl und alles was dazu gehört, sei es die Jagd nach dieser Limited Edition von Coloured Vinyl die mit der Farbe des Covers harmoniert, der Plausch im Plattenladen, der verminderte Lebensraum, weil die Platten den Platz brauchen, das Geschlepp zum Gig, die vom Staub ausgetrockneten Finger beim Durchwühlen von Plattenkisten, dieses Entjungfern, wenn man die Jungfernhaut von Plastikeinschweissung der Platte aufschlitzt und man zum ersten mal den Plattentellerstiesel durch das Loch haut. Liebe eben.
Er weiß darum, das er einer aussterbenden Spezies angehört, die trotz aller Widrigkeiten an einem veralteten Medium festhängt, sowas wie der Diskette des Audiobereichs, komme was da wolle, und weiß das er spätestens beim nächsten Umzug keine Freunde mehr hat. Quält sich mit Fragen nach dem optimalen System zum Abspielen ab, was immer noch nichts im Vergleich zu der existentiellen Frage ist, nach welchem System man die Sammlung sortiert. Er lebt mit der Einschränkung das vieles nur noch digital erhältlich ist und redet es sich mit “It happens on vinyl first” schön. Vielleicht betreibt er sogar ein ruinöses Vinyl only Label, nur damit dieser Satz für ihn noch möglichst lange Bestand hat.
Ich kenne Vinyltrottel, die legen mit Files auf, weil ihnen ihre Platten zu schade dafür sind. Noch trotteliger sind jene, die Platten gleich zweimal kaufen, eine zum Auflegen, eine für’s Archiv. Das unterscheidet ihn vom, nur phonetisch ähnlich gelagerten, Vinyltroll, der wegen seinen paar Scheiben meint in jeder Diskussion den authentischen Verfechter des schönen, wahren und guten Vinyls raushängen lassen zu müssen, leicht zu erkennen an Missionierungen und Sprüchen wie “Vinyl kills the mp3 Industry”. Weil, wie das mit wahrer Liebe nunmal so ist, will man die eigentlich gar nicht teilen, man hat die für sich, die ist absichtslos und nicht um eines Distinktions- oder Imagegewinns Willen.




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