Als Techno noch jung und unschuldig war, wollte er, wie alle unschuldigen Jungs natürlich seine Grenzen ausloten und was bot sich da näher an als die BpMs. Das war so ab 1992 und wir waren damals von heute aus besehen eh schon schnell unterwegs, 135 – 150 BpM waren keine Seltenheit, aber da mußte doch noch mehr gehen! Das Ergebnis war unter anderem Gabber, wo schon mal an der 160 gekratzt wurde, dazu noch Bassdrums wie Atombombenabwürfe und Snares aus dem Maschinengewehr, fertig ist die Gabberlaube. Ich weiß nicht mehr wer damit eigentlich angefangen hatte, aber Rotterdam Records mit Poing war so ein Startsignal, das sich dann von Release zu Release höher schraubte und anfangs wirklich noch kabarettistische Züge trug, wie z.B. Euromaster’s Alles Naar De Klote

von dem es dann folgerichtig auch den 250 BpM Remix gab

Die Sache wurde 1993 zum Selbstläufer und zig Produzenten überboten sich darin aberwitzig schnelle Tracks mit noch zerstörteren Bassdrums zu zimmern, Labels wie Mokum und Knor kamen dazu, in Deutschland spezialisierte sich unter anderem Marc Arcadipane’s PCP in Frankfurt darauf, deren Liveacts dazu wirklich sehenswertes Tschabo Theater bot. In Berlin hatten wir die Gabba Nation und Gabber Front Berlin, die sich vornehmlich im Bunker austobte. Ansonsten bot Gabber durchaus unterschiedliche subkulturelle Bilder, während es hier in Berlin und im Osten eher linksgeprägt schien, war bei Gabber im Westen und insbesondere an der holländischen Grenze immer wieder von Rechtstendenzen zu hören. Im Ursprungsland Holland ebenso, aber bei dem Hellraiser Rave für den ich mal gebucht war, war davon nichts zu merken, da waren eher die Christen vor dem Eingang auffällig, die Flyer verteilten das dies die Musik des Teufels sei und Schwangere nach Besuch exorziert werden müßten damit dabei nicht Rosemary’s Baby rauskommt.
Wie das mit dem Grenzen ausloten so ist, ist die halt irgendwann Ende im Gelände und jegliches weitere Gelote hat dann etwas verzweifeltes und so entwickelte sich Gabber einerseits mit Mental Theo & Charlie Lownoise, Thunderdome Compilations, Mixen und Raves zur Karikatur seiner selbst, andererseits musikalisch und ästhetisch zur Technoantwort auf Deathmetal. Diese Entwicklung ging ziemlich flott und bis 1996 war eigentlich alles gesagt was man mit Gabber mitteilen konnte. Interessant waren dann höchstens noch Offshots wie Breakcore, welcher sich mit dem BpMgleichen Drum&Bass verband, Rettungsversuche wie Intelligent Gabber sollten aber lediglich amüsante Fußnoten am Rande bleiben. Manche verorten noch Schranz als Nachfolger von Gabber, welcher ja so um die Jahrtausendwende blühte, was sicherlich in einigen Punkten seine Berechtigung hat, ich persönlich möchte allerdings nicht so weit gehen.
Interessant am Gabberphänomen ist, das zumindest bei mir, lediglich die Tracks in Erinnerung blieben die dem Gabberklischee gerade nicht entsprachen, wie z.B.


das oben schon erwähnte Alles Naar De Klote
?Rotterdam Termination Source – Poing?

Sperminator – No Women Allowed

Hocus Pocus – Here’s Johnny

Controller – Regulator

Glitch – War Path



Hier noch eins das ich damals ganz schlimm fand, über die Jahre aber wie ein guter Wein gereift ist
?Technohead – I Wanna Be A Hippy ?



Sicherlich gibt es Gabber auch heute noch, aber ich habe da nicht weiter geforscht, meine letzten Begegnungen damit waren auf der Nature One und der Mayday die Gabberfloors die ich kreuzte und wo dann Jumpstyle und Scooter liefen, weiß jetzt nicht ob das symptomatisch ist.


Mit Hardcore verhält sich die Sache nun wieder ganz anders, nicht nur weil da jeder so seine eigene Definition für hat, sondern weil dadurch auch der Pool viel größer ist aus dem man schöpfen kann. Unsere Berliner Definition spann sich von hartem Techno über Gabber bis zu dem was in UK den Namen trug und mit klassischem Techno, bis auf die gleichen Wurzeln, eher wenig zu tun hat. In UK war Hardcore das was z.B. Altern 8 und Force Mass Motion anstellten, um mal die vielleicht bekanntesten Acts zu nennen, aber darunter existierte ein ganzer Kosmos aus Kleinst- und Whitelabels dessen Epoche von ca. 91- 93 schon längst mindestens eine eigene Doku verdient hätte. Die Sache splittete sich dann auf in Jungle, später Drum & Bass und auf der anderen Seite diese Vermischung von Eurogabber mit UK Hardcore, wie sie z.B. Scott Brown mit dem Label Shoop und Twisted Vinyl zelebrierte, das auch seine Momente hatte, aber auf Dauer dann doch eher immer auf der gleichen Klaviatur rumklimperte, was zur Ermüdung des Genres führte.
Dennoch spricht man vom Hardcore Continuum, das vornehmlich in den englischen Nachfolgern immer unterschwellig noch vorhanden ist, sei es im Breaksgarage, dem Evil Twin des 2Steps der Jahrtausendwende oder im frühen Dubstep von 2004 bis ca 2007, wenn man sich mal Sachen von z.B. Vex’d, Search & Destroy oder Toasty zu Gemüte führt. Und es ist bis heute nicht tot zu kriegen, letztens erst legte ich mir die neue EP von Dexplicit zu, welche unter anderem diese beiden Tracks beinhaltet, die eindeutig Hardcore schreien:






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