hier gibts noch einen schönen text aus dem de:bug:
2000 And One:
Während sich Neo-Detroit-Tracks auf Labeln wie Down Low, Keynote, Delsin oder Headspace immer mehr in den Melodien-Kaskaden verloren haben und eine Esoterik der Ferne entwickeln, bewahrt Dylan Hermelijns Musik den Dialog mit dem Partygeschehen. Seine Produktionen passen zu Tracks auf Mental Groove oder Dial, zu Musik von Donato Dozzy, Gabriel Ananda oder Jacek Sienkiewicz. Die Grooves des HipHop-, Reggae- und Ragga-Fanatikers sind nie formelhaft, protzen aber auch nicht mit Originalität. Die Sounds und Melodien führen ein Eigenleben, ohne die Spannung gegenüber den Beats aufzugeben. Überraschenderweise ist Dylans aktueller Erfolg auf dem Dancefloor in seiner zwanzigjährigen Karriere eine Neuigkeit: "Ich bin selbst von mir überrascht. Jahrelang hat meine Musik ganz unabhängig von den Clubs stattgefunden. Aber wenn die DJs meine Platten spielen und sie für die Crowd funktionieren, muss etwas dran sein."
Im Nachhall der Acidhouse-Revolution hatte Dylan Tracks für Stefan Robbers Kultlabel Eevo Lute produziert. Bald wurde aber die holländische Partyszene unattraktiv für ihn: Während die Hardcore-Anfänge noch eine gewisse Faszination ausübten, war der nachfolgende Gabba-Sound völlig inakzeptabel. Zunächst hatte er noch mit dem Djax-Up-Beats-Projekt Edge Of Motion mit Gert-Jan Schonewille einen Hit, " Set Up 707". Danach wurden Edge of Motion experimenteller: Die verzerrten Snaredrums, die punkig hingeschleuderten Basslines und die auseinander gerissene Trackstruktur sind ganz weit vom allumfassenden Wohlklang der Gegenwart entfernt. Seine eigenen, unabhängigen Produktionen gingen in eine andere Richtung, sie setzten sich unmittelbar mit dem Detroit-Sound auseinander. Die Höhepunkte dieser Phase sind die beiden Alben seines eigenen Djax-Up-Projekts Planet Gong und die ersten EPs von 2000 and One auf seinem 100%-Pure-Label. Dylan selbst vergleicht diese alten Tracks von sich mit aktuellen Produktionen von Redshape oder Efdemin. Die kleinteiligen Grooves erzeugen eine gewisse Atemlosigkeit, die von den kurzen, immer nur angerissenen Melodie-Figuren unterstützt wird. Diese Musik ist nicht aus den Bewegungen der Tanzenden entwickelt, vielmehr erfindet sie künstliche Körper.
Programmatisch-strenger Minimal-Techno hat Dylan immer gelangweilt, trotzdem verdanke er dem neuen minimalen Soundparadigma mit dem vergleichsweise langsamen Tempo von 125bpm, dem zurückgenommenen Drumming und der gesteigerten Aufmerksamkeit für herausmodellierte Sounds seine aktuellen Entfaltungsmöglichkeiten, berichtet er: Die Isolation in den Jahren von Schranz und Gabber sei endlich vorbei. Was heute auf den Floors möglich ist, erstaunt und begeistert Dylan immer wieder, ein besonderer Höhepunkt war ein Set mit Shinedoe im Berliner Berghain. Bewegte sich seine Relaunch-Maxi "The Return of 2000 & One" noch sehr im Post-Detroit-Format, positionierte sich der Nachfolger "Adonai Elohim" schon sehr pointiert im Sound der Gegenwart. Die aus dem Track fallenden, neben den Grooves stehenden Sounds passen zu Stücken auf Vakant oder Mobilee, die elegante Produktion mag manch einen an Lindstrom'sches oder Hendrik-Schwarz'sches Edelraven erinnern. Sven Väth eröffnete mit der Nummer seine letztjährige Ibiza-Compilation. Sein mit Dave Ellesmere als Microfunk produzierter Sommerhit "The White Room" erinnert an bestimmte Minus-Tracks, verwandelt deren grabenden, bohrenden Ernst aber in eine spielerisch-herausfordernde Funkiness. Zuletzt erschien die Villalobos-affine Percussion-Nummer "Funk Out", die zu Ibadan-Tracks passt, die mit ihrer Lowkey-Attitüde scheinbar nicht mehr will, als den Flow der Crowd einige Minuten weiterzutreiben, sich letztlich aber doch als nachhaltiger Synapsen-Verflüssiger erweist.
Auch bei 2000 & One zeigt sich, was für eine hoch entwickelte Kunst die elektronische Tanzmusik heute ist: Manchmal ist es notwendig, das subtil ausbalancierte Trackgefüge mit einer gewissen Entschiedenheit aus dem Gleichgewicht zu bringen. Manchmal geht es um nichts anderes, als die Reise ins Akustische anzutreten und über Nächte und Jahre hinweg das Sensorium für die Stöße der Grooves und die Schwingungen der Sounds zu verfeinern.
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