Der 24. Dezember ist sehr oft ein Tag für mich, an dem sich ein paar Parameter ändern. Vor 5 Jahren war es die erste E-Zigarette, diesmal war es die Apple Watch und das kam so:
Seit dem Sommer lief ich mit einer Garmin Vivoactive HR rum, meine erste Smartwatch, wenn man sie so nennen will, aber eigentlich mehr eine Sportuhr mit etwas Smartgedöhns dran, Push Nachrichten vom iPhone lassen sich darauf z.B. anzeigen und alles was man so sportlich tut wird in der dazugehörigen App gespeichert als auch zuverlässig an Apple Health weitergegeben. Zudem lassen sich Services wie MyFitnessPal und ähnliche mit der dazugehörigen App verbinden, so das man zusätzlich einen ganz guten Überblick über seine Kalorien Ins und Outs hat. Reicht auch eigentlich vollkommen aus und der Akku muß trotz all dieser Aktivitäten bei moderatem Gebrauch von GPS nur ca. einmal pro Woche aufgeladen werden. Was auch einer meiner Vorbehalte gegen die Apple Watch von Anfang an war, täglich aufladen? Bäh! Zudem nicht wasserdicht, also was soll ich damit im Sommer? Meine Garmin konnte also so einiges mehr was für mich wichtig war. Dann kam die Apple Watch Series 2 und konnte plötzlich all das auch und natürlich einiges mehr, was sie vorher schon konnte, mir aber nicht so wichtig war. Den Rest besorgte dann die Nike+ Version der Apple Watch mit ihrem Design. Also seit Oktober schielte ich schon immer mal mit einem Auge darauf, wollte mir aber meinem Grundsatz treu bleiben, die ersten Iteration eines Apple Produkts abzuwarten und gucken wohin sich das entwickelt. Hat mit dem iPhone auch nur so mittelgut geklappt, da war ich auch schon bei Version 2 dabei.
Ausschlag gebend war dann, als die Garmin am 24.12 sich partout nicht mehr mit dem iPhone verbinden lassen wollte, das war mir Grund genug, ausgerechnet an diesem Tag trotzig an den Kudamm zum Apple Store zu fahren und die 450 € dafür auf den Tisch zu legen. Das auf dem Weg dorthin dann die Vivoactive plötzlich wieder mit dem iPhone redete, geschenkt, jetzt war ich auf einer Mission. Knapp vor Schliessung und als einer der letzten Kunden im Laden hatte ich dann also das Designerstück der Begierde in den Händen. Weihnachten war, zumindest für mich, gerettet.
Was nun folgte war eine Menge customizing.
Der erste große Unterschied zu meinen Vorgängern ist die Multitasking Fähigkeit, es können mehrere Apps gleichzeitig laufen, und im Betrieb geswitcht werden, das hat mich nämlich immer genervt, das man sich für eine Anwendung entscheiden muß und diese dann im Vordergrund ist. Die Apple Watch bietet zuallerst mal natürlich eine viel größere Auswahl an Apps für alle möglichen Anwendungsszenarien an und bietet Zugriff auf diese durch das Dock und die Komplikationen auf dem Watch Face ,vulgo Ziffernblatt, was hier allerdings begrifflich nicht wirklich paßt.
Komplikationen sind am ehesten mit Widgets vergleichbar, die man in das Uhrgesicht einsetzen kann, die aktuelle Daten anzeigen und bei Berührung die entsprechende App öffnet, sozusagen ein Shortcut zur App. Vorzugsweise natürlich Sachen die man gerne ständig im Auge hat. Bei meinem mitgelieferten Favoriten sind das 3 Felder die sich so bestücken lassen, es gibt aber auch Watch Faces die man mit bis zu 5 solcher Komplikationen vollpacken kann und einem somit fast das Dock ersparen. Das gibt es nämlich, ähnlich wie bei OSX und iOS, auch für jene Apps, die man am häufigsten nutzt. Konfigurieren lässt sich das alles über die Watch App auf dem iPhone.
Wie bei Apple Produkten üblich, ist zwar schon so ziemlich alles an Bord was man so braucht und die Apps auf dem iPhone schmissen begierig auch noch ihre Komplikationen und Apps auf die Uhr, aber da tut sich trotzdem nochmal ein großes Feld der Personalisierung auf. Das empfinde, zumindest ich, als großen Vorteil gegenüber der Tracker und Smartwatches, die ich vorher besessen hatte, dort mußte man quasi mit dem Vorlieb nehmen, was der Hersteller sich so an Zusatznutzen vorgestellt hatte, bzw. müssen Entwickler mit dem engen Rahmen Vorlieb nehmen was dort herstellersetig vorgesehen ist und das lässt zumeist nicht viel Spielraum.
Bedeutet aber auch erstmal eine ziemliche Umgewöhnung und die fängt schon mit dem Activity Tracker an. Bislang war ich Balken gewöhnt, die die Erreichung von Tageszielen und Fortschritten aufzeigten, nun also 3 Kreise, die Stehstunden (Blau), Trainingsminuten (Grün) und Kalorienverbrauch (Rot) anzeigen. Die täglichen 10.000 Schritte, sonst bei jedem Fitness Tracker obligatorisch, helfen hier zwar zum Ziel hin, sind aber nicht so prominent, bzw. sind kein Ziel an sich, was sich für mich auch logischer anfühlt. Schließlich war das oft frustrierend, wenn man anderthalb Stunden trainiert hatte, aber die Erreichung des Tageserfolgs scheitert, weil man dadurch nur 7000 Schritte gemacht hatte. Überhaupt diese Fokussierung auf Gehen und Laufen im Sport, als wenn es nichts anderes gäbe was gesund hält. Kurzum, ich hatte mich sehr schnell an das Activity Konzept gewöhnt und muß sagen es motiviert mich mehr als lediglich 10.000 Schritte runter zu reissen, die als Hundebesitzer und Vater eh keine große Herausforderung darstellen. Aber eben customizing, natürlich lassen sich auch Schritte als Ziel installieren, ich nutze dafür StepsApp und das sieht schöner aus als je zuvor:



Was ich vermisste war ein Schlaftracker, da habe ich mich seit dem Mi-Band sehr dran gewöhnt und finde es nach wie vor erstaunlich wie viel mehr man sich um seinen Schlaf kümmert, wenn man ihn so vor Augen hat, schließlich ist das ein nicht zu verachtender Faktor wenn es um Sport geht, zu wenig Schlaf macht nicht nur müde, sondern auch die Bemühungen in Sachen Fortschritte beschwerlich bis kaputt. Auch hier war schnell Abhilfe geschaffen, die Auswahl an Schlaftrackern ist mittlerweile fast unüberschaubar, ich habe mich zuerst für Pillow entschieden, hat aber den Nachteil das man die App vor dem Schlafengehen starten muß, auf das sie trackt. Dann kam Autosleep heraus und tut das, wie der Name schon andeutet, von selbst und zwar indem sie die Sensoren der Apple Watch nutzt. Das tut sie so ausgezeichnet, das sie die erste App ist, die auch meine Powernaps oder unregelmäßigen Schlafzeiten an Wochenenden zuverlässig mitschneidet, an denen ich manchmal erst ins Bett komme, wo ich mich sonst aus ihm raus schäle. Besonderheit eins ist hier, das es dazu keine App auf der Watch braucht, lediglich die Daten kommen von dieser, die Auswertung und Anzeige erfolgt auf dem iPhone. Besonderheit zwei wäre, auch hier wieder die Kreisanordnung. Hat mich zuerst auch irritiert, war ich doch hier ebenfalls Balken gewohnt, erschließt sich aber schnell als logisch.



Was ich zudem sehr begrüße ist, das beim Schlaf keine oberlehrerhaften „Sie schlafen sehr unregelmäßig“, „Du hast wieder keine 8 Stunden geschlafen!“ oder „Regelmäßige Schlafzeiten sind schwierig, aber gesund!“ Hinweise mehr kommen, die haben mich bei allen bisherigen Trackern genervt. Wie kommen Schichtarbeiter mit sowas klar? Und wenn ich 8 Stunden schlafe bin ich unausgeglichen, ich kenne mich da glaube ich besser als so’ne App.
Am besten funktioniert Autosleep übrigens im Verbund mit Heart Watch, das, man sollte sich als Apple Watch User daran gewöhnen, ebenfalls im Kreisformat daher kommt und Herzdaten Auswertungen auswirft, das einem, naja, das Herz aufgeht. Lustige Beobachtung dabei am Rande: mit diesen Herzdaten kann man schon im Vorfeld sehen wenn eine Erkältung oder Grippe im Anmarsch ist, die sich erhöhende durchschnittliche Pulszahl ist ein guter Indikator dafür und auch das Abklingen kann man schön beobachten:

Ich wünsche mir für eine der nächsten Versionen schonmal einen Körpertemperatur Sensor dazu.
Gemein ist diesen Apps, das sie alle auf die selben Daten, gespeichert in der Health App auf dem iPhone, zugreifen. Nicht wie früher, als jeder Schrittzähler seinem eigenen Algorhythmus folgte und folglich völlig unterschiedliche Summen zusammen kamen. Somit hat man in jeder App eine andere Visualisierung und Aufarbeitung der Daten, seien es Schritte, Strecke, verbrauchte oder aufgenommene Kalorien, Puls etc. aber die gleichen Summen und Zahlen, was die Vergleiche viel angenehmer macht.
Und das war jetzt nur der Sport- und Gesundheitsteil. Man lernt mit der Zeit aber auch die anderen Vorzüge zu schätzen, seien es Einkaufs oder Todo Listen, die sich auf der Watch abhaken lassen oder ein schneller Blick auf den Kalender was als nächstes anliegt. Man zieht sein Phone auf jeden Fall seltener aus der Tasche, allein schon weil man mit einem Blick auf’s Handgelenk sieht, ob die gerade eingegangene Message es überhaupt wert ist, dies zu tun. Das sind natürlich Petitessen, derentwegen man solch eine Uhr nicht unbedingt braucht, geschweige denn den Preis dafür rechtfertigen würde. Aber in ihrer Gesamtheit mehr als die Summe ihrer Teile bedeuten und insbesondere natürlich Freunde des Quantified Self’s bzw. Selftrackings begeistern. Dinge die ich nicht nutze aber ebenfalls sehr bequem von der Uhr aus gehen und Sinn machen wären z.B. sich an Wasseraufnahme erinnern lassen und tracken, Timetracking für Freelancer, Pomodoro Timer etc.
Für die eigene Appauswahl, bzw für Entwickler tun sich da natürlich ganz neue Herausforderungen auf, Apps ohne Watch Companion spielen plötzlich in einer ganz anderen Liga und im Zweifelsfalle greift man dann eben doch zu der, die zumindest eine Watch App oder eben gleich eine Komplikation mitliefert.
Welch ein Fortschritt gegenüber meiner ersten Ironman Uhr aus den frühen Nullerjahren mit Brustgurt zur Herzmessung und einer GPS Warze am Arm, die allein schon größer und dicker als ein iPhone, deren Daten man noch via Infrarot auf den Rechner schaufeln mußte und dort auf das zugehörige Programm angewiesen war. Heute braucht man nichts als diese kleine Uhr und hat nicht nur die, sondern alle Daten überall und sofort parat.


Insgesamt fällt mein Resümee über den ersten Monat mit der Apple Watch daher positiver aus als ich selbst erwartet hatte. Ursprünglich mehr so als Sportuhr und Tracker erworben macht die nahtlose Integration mit iOS mehr Sinn als gedacht. Vom Design her bislang sowieso das beste was ich jemals am Arm hatte, aber das dürfte Geschmacksache sein. Mit der Akkulaufzeit komme ich persönlich gut klar, ca. anderthalb bis 2 Tage, je nachdem wie lange das GPS an ist. Wäre ich Marathonläufer wüßte ich zwar nicht ob das reichen würde, aber das wird in dem Leben eh nicht mehr passieren. Für meine sportiven Zwecke jedoch völlig ausreichend. Lediglich das man die Workouts selbst benennen kann würde ich mir da noch wünschen, bislang muß man da auf die ca. 60 Vorgaben zurückgreifen.


Weitere Apps, die es bei mir ins Dock geschafft haben:


Just Press Record: Audio Aufnahmen direkt von der Watch aus mit Transkription in Textfiles


Streaks: Motivationshilfe und Gewohnheitstrainer, der auf die Health App zugreift, bzw. bei Erledigung der Aufgabe den Streak direkt von der Wtc abticken.


Bring: Einkaufslisten direkt auf der Uhr abarbeiten






View the full article